Warum kostet Wein, was er kostet?
Mittwoch, 23 Juni 2021
Oder anders gefragt... Ist Wein für 3€ immer und auf jeden Fall schlecht? Und Wein für 35€ immer und auf jeden Fall gut?
Und was ist mit den Weinen für 200€ und mehr?
Ganz verallgemeinert vorweg will ich sagen: Natürlich kann Wein für 3€ gut sein und ja, ein Wein für 200€ kann an deinem Geschmack vorbei gehen.
Der Preis für eine Flasche Wein sagt wenig über den Geschmack, aber dafür umso mehr über die Herstellung des Produkts aus (zumindest dann, wenn die Preiskalkulation fair berechnet wurde).
Beispiel Bodega
Nehmen wir mal an, wir sehen uns zwei verschiedene Bodegas an, die beide einen geschmacklich einwandfreien Wein herstellen.
Bodega 1 könnte zum Beispiel in Castilla La Mancha liegen. Der Wein wird auf weiten, ebenen Flächen angebaut. Viele, viele Maschinen sorgen automatisiert für Ernte und Traubenlese. Die Bodega hat nichts mit einem kleinen, romantischen Steingebäude umgeben von grünen Weinbergen zu tun. Viel mehr gleicht sie einem Industriekomplex, in dem Tag und Nacht modernste Technik dafür sorgt, dass Liter für Liter in Flaschen abgefüllt werden. Qualitätsschwankungen gibt es so gut wie nicht, denn im Weinkeller werden (erlaubte) Zusatsstoffe dem Wein hinzugefügt, um mögliche Qualitätsprobleme, die die Maschinen nicht entdeckt haben, ausradieren zu können. Am Ende eines Jahres werden so 10 Millionen Flaschen abgefüllt und verkauft.
Bodega 2 liegt in der Ribeira Sacra (oder auch in den Steillagen der Mosel). Maschinen sind hier kaum bis gar nicht brauchbar. Denn der Weinberg ist so steil gelegen, dass nur Handarbeit in Frage kommt. Es müssen also Menschen ran und den Weinberg sauber halten, die Reben pflegen, die Trauben per Hand lesen, in Kisten verpacken und (mit teilweise waghalsigen Seilsystemen) in´s Tal und in den Weinkeller schaffen. Dort werden die Trauben dann per Hand sortiert. Denn dem Wein werden keine hunderte Zusatsstoffe hinzugefügt und so muss jede Traube ganz genau kontrolliert werden – denn schon eine Handvoll schlechte Trauben kann den ganzen Wein verderben. Außerdem sind die Böden in der Ribeira Sacra schwieriger zu bewirtschaften, als der Boden der Bodega 1. Die Pflanzen müssen härter arbeiten, um zu überleben. Das führt zu weniger Trauben. Und das widerrum führt zwar zu einer Qualitätssteigerung des Weines, aber natürlich auch zu weniger Ertrag.
Unsere Bodega 2 ist ein Familienunternehmen. Sie können keine 200 Mitarbeiter beschäftigen, die Tag und Nacht arbeiten. Und selbst wenn – die Menschen aus der Bodega 2 sind nicht in der Lage so schnell, wie die Maschinen aus der Bodega 1 zu arbeiten. Und das wäre ja auch Quatsch, denn die Ernte in der Bodega 2 gibt ja gar nicht genug Trauben her, um 10 Millionen Weinflaschen zu füllen. Am Ende des Jahres werden in der Bodega 2 also rund 60.000 Weinflaschen verkorkt.
Allein an diesem kleinen Beispiel der 2 Bodegas wird sofort klar, warum Weinpreise so sehr schwanken. Eine Maschine ist in der Anschaffung zwar teuer, aber sie bekommt keinen monatlichen Lohn, keinen Urlaub, sie wird nicht krank, muss nicht schlafen, braucht keine Pausen.
Am Ende des Tages verkauft Bodega 1 einen guten Wein, ohne Qualitätsschwankungen, aber auch ohne Seele und meist ohne „Oooohhh“ – Effekt. Einen Wein, den man trinken kann. Den man aber höchstwahrscheinlich nach ein paar Tagen auch wieder vergessen hat.
Bodega 2 verkauft ebenfalls einen guten Wein. Der allerdings hat eine Seele, denn viele, viele Menschen haben mit vereinten Kräften (und mit ganz viel Schweiß) dafür gesorgt, dass der Wein so im Weinregal landet, wie wir ihn am Ende kaufen. Und das schmeckt man.
Der Geschmack der Weine der Bodega 2 kann sogar von Jahrgang zu Jahrgang schwanken. Es wurden schließlich keine 20 Stabilisatoren eingesetzt, die den eigentlichen Charakter der Trauben überdecken.
Die Weine, die wir für 2,99€ im Supermarkt finden, sind mit Sicherheit nicht Bodega 2, sondern definitv Bodega 1 zuzuschreiben.
Und nicht nur die Herstellung des eigentlichen Traubensaftes kostet Geld.
Hinzu kommen natürlich viele weitere Kostenfaktoren. Zum Beispiel die Reifung im Keller. Bleibt mein Wein nur rund 5 Monate im Keller und wird dann schon abgefüllt oder reift mein Wein jahrelang in Barriquefässern (Kosten Barriquefass: Rund 800€) und bringt mir über Jahre also keinen Ertrag ein?
So geschehen zum Beispiel bei unserem Lagar do Cigur Crianza. Der 2013er Jahrgang ist 2020 auf den Markt gekommen. Das sind mal eben 7 Jahre, in denen zwar Kosten anfallen, aber keine einzige Flasche verkauft wird.
Dann muss ja auch noch die Flasche an sich gekauft werden, ein Korken (Naturkorken oder billiger Drehverschluss?), Etikette geklebt (und auch hier wieder: Handarbeit oder Maschine?) und Kartons gekauft werden (recycelbare Pappe oder eine günstigere Variante?).
Jetzt ist der Wein zwar fertig, aber noch kennt ihn niemand.
Marketing, Geschäftsreisen zu potenziellen Kunden und Weinmessen, Werbeaktionen, kleine Geschenke für Stammkunden, Rabattaktionen, ... All das muss auch noch auf den Flaschenpreis drauf gerechnet werden. Sagen wir mal, dass diese Kosten sich auf 60.000€ pro Jahr belaufen. Bei unserem Familienbetrieb in der Ribeira Sacra ist das anteilig 1€ pro Flasche. Bei der Bodega 1 hingegen lächerliche 0,006€. Also nicht mal 1 Cent pro Flasche.
Und ganz zum Schluss müssen alle Beteiligten ja auch noch etwas gewinnen. Sowohl der Winzer, als auch der Händler. Und glaubt mir, keiner unserer Winzer lebt in riesigen Villen und auch wir haben keine Marmorwaschbecken zuhause – aber leben müssen wir alle.
Natürlich gibt es auch die riesigen Industrieunternehmen, die mit gekonnten Marketingkampagnen einen so großen Hype um ihre Produkte auslösen, dass sie diese ganz einfach sehr überteuert verkaufen können. Und auch Investoren haben den Weinmarkt schon vor langer Zeit für sich entdeckt und heizen den Markt unnatürlich an. Und so kann man für einen Wein, der eigentlich nicht mehr als 25€ kosten sollte, natürlich plötzlich 99€ ausgeben. Das ist sch**** und unfair.
Diese Art von Weinen werdet ihr bei Ocaldo allerdings nicht finden. Ihr wisst es ja selbst, bei uns gibt es nur Weine von kleinen, ausgewählten Weingütern. Familienbetriebe, die Weine herstellen, die Geschichten zu erzählen haben. Handarbeit, Schweiß, Steillagen, geringe Erträge und Nachhaltigkeit sind hier die Stichworte.
Letztendlich verhält es sich beim Wein, wie bei jedem anderen Produkt auch.
Niemand kommt auf die Idee, den Hamburgerpreis einer großen Fastfood-Kette mit dem Hamburgerpreis eines Gourmet Restaurants, das nur lokale Zutaten verarbeitet, zu vergleichen. Oder den Pulloverpreis bei einem riesigen, international agierenden Modekonzern mit dem Pulloverpreis, den eine kleine süße Boutique in der Innenstadt verlangt. Denn auch wenn es sich in beiden Fällen um Pullover oder Hamburger handelt, sind es letztendlich doch komplett unterschiedliche Produkte. Eben genau so, wie der Wein unserer Beispiel-Bodegas.
In diesem Sinne, ein Hoch auf die kleinen Familienbetriebe.
Un bico,
Lara